Neue EH55-Förderung gestartet: Welche Auswirkungen haben KfW-Zinsen und Förderprogramme auf Immobilienbewertung, Marktwert und Wirtschaftlichkeit von Neubauten?

Mit dem Neustart der EH55-Förderung setzt die Bundesregierung ein deutliches Signal an Bauherren, Investoren und Projektentwickler. Ab sofort können wieder Anträge für zinsverbilligte KfW-Kredite gestellt werden. Doch was bedeutet diese Förderung konkret für die Immobilienbewertung, die Wirtschaftlichkeit von Neubauten und den Marktwert von Wohnimmobilien?

Gerade in Zeiten hoher Baukosten und steigender Bodenpreise gewinnt die korrekte Einordnung solcher Förderprogramme bei der Wertermittlung zunehmend an Bedeutung.


Neue EH55-Konditionen: Kurzüberblick

Die wichtigsten Eckdaten der neu aufgelegten EH55-Förderung:

  • Kreditlaufzeit 35 Jahre / Zinsbindung 10 Jahre:
    Effektiver Zinssatz: 2,84 %
  • Kreditlaufzeit 10 Jahre / Zinsbindung 10 Jahre:
    Effektiver Zinssatz: 1,94 %
  • Maximale Kredithöhe:
    Bis zu 100.000 Euro je Wohneinheit
  • Fördervolumen:
    Einmalig 800 Millionen Euro
  • Förderstart:
    Ab sofort
  • Voraussetzung:
    100 % erneuerbare Energien für die Wärmeerzeugung
  • Vergabeprinzip:
    Windhundprinzip – zeitlich klar begrenzt

EH55 und Immobilienbewertung: Warum die Förderung relevant ist

Förderprogramme wie EH55 wirken sich nicht automatisch wertsteigernd auf eine Immobilie aus. Für Gutachter, Sachverständige und Investoren gilt: Nicht die Förderung selbst, sondern ihre wirtschaftliche Wirkung ist bewertungsrelevant.

1. Einfluss auf die Herstellkosten

Durch zinsverbilligte Kredite können Projekte realisiert werden, die zuvor wirtschaftlich nicht darstellbar waren. Das betrifft insbesondere:

  • Mehrfamilienhäuser
  • Bauträgerprojekte
  • Private Neubauten im mittleren Preissegment

In der Bewertungspraxis kann dies dazu führen, dass Projekte überhaupt erst marktfähig werden, was indirekt den Markt beeinflusst – jedoch nicht automatisch den Einzelwert einer Immobilie erhöht.


2. Marktwert ≠ Förderwert

Ein häufiger Fehler:
Förderungen werden als pauschaler Mehrwert angesetzt. Das ist bewertungsfachlich falsch.

In der Immobilienbewertung gilt:

  • Förderkredite sind personen- und projektbezogen
  • Sie sind nicht dauerhaft objektgebunden
  • Sie dürfen nicht direkt auf den Verkehrswert aufgeschlagen werden

Entscheidend ist vielmehr:

  • niedrigere laufende Kosten
  • bessere Energiekennwerte
  • höhere Marktnachfrage
  • geringeres Vermietungsrisiko

Diese Faktoren können sich indirekt wertstabilisierend oder wertsteigernd auswirken.


Bauüberhang und Marktwert: Chancen und Risiken

Laut Bauministerium befinden sich aktuell rund 760.000 genehmigte Wohnungen im Bauüberhang. Viele davon wurden aufgrund hoher Zinsen und Baukosten nicht begonnen.

Die Reaktivierung der EH55-Förderung zielt genau auf diese Projekte ab.

Bewertungstechnisch relevant:
  • Steigt das Angebot, kann dies regional preisdämpfend wirken
  • Gleichzeitig verbessert sich die Planungssicherheit für Investoren
  • Neubauten mit EH55-Standard bleiben langfristig marktgängig

Für Gutachter bedeutet das:
Marktentwicklungen müssen noch genauer lokal differenziert betrachtet werden.


Zeitlich befristete Förderung: Unsicherheitsfaktor für Investoren

Die begrenzte Mittelverfügbarkeit birgt Risiken:

  • Förderstopp nach wenigen Wochen möglich
  • Hoher Antragsdruck
  • Planungsunsicherheit

Für die Immobilienbewertung ist das entscheidend:

Ein Verkehrswert darf nicht auf unsicheren Förderannahmen basieren.

Gerade bei:

  • Finanzierungsbewertungen
  • Erbschaften
  • Schenkungen
  • steuerlichen Bewertungen

ist eine förderunabhängige, objektive Wertermittlung unerlässlich.


EH55 als Qualitätsmerkmal – aber kein Selbstläufer

Der EH55-Standard steht für:

  • zeitgemäßen Klimaschutz
  • geringere Betriebskosten
  • gute Vermietbarkeit

Aus Bewertungssicht gilt jedoch:

  • Der energetische Standard ist ein Marktmerkmal, kein Garant für höhere Werte
  • Lage, Bodenwert, Nachfrage und Nutzung bleiben dominant

Eine fundierte Immobilienbewertung muss alle Einflussfaktoren sauber trennen.


Fazit: EH55-Förderung richtig in der Immobilienbewertung einordnen

Die neue EH55-Förderung kann helfen, Projekte zu realisieren und den Bauüberhang abzubauen. Für die Immobilienbewertung gilt jedoch:

  • Förderungen ersetzen keine Marktanalyse
  • Sie dürfen nicht pauschal wertsteigernd angesetzt werden
  • Eine fachlich korrekte Bewertung bleibt unerlässlich

Gerade bei Neubauten, Investorenprojekten sowie steuerlichen Fragestellungen ist eine unabhängige Immobilienbewertung durch einen qualifizierten Sachverständigen entscheidend.


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